Mehr dünnere Luft

St. Moritz ein beliebter Ort für Höhentraining.
St Moritz ist bekannt als Kraftort und Inspirationsquelle für Künstler. Aber auch nicht weniger als idealer Trainingsort für Sportler.

Auch ich absolvierte diesen Sommer einen Trainingsblock im Engadin. Man kann dem auch Höhentraining sagen, oder nicht? Diese und weitere Fragen stellte ich mir zu diesem Thema... Für mich und alle andern interessierten möchte ich hier kurz die „Guidelines“ für ein Höhentrainingslager auffrischen...

 

Der prozentuale Sauerstoffanteil in der Luft nimmt bekanntlich mit zunehmender Höhe ab. Pro 1000 Höhenmeter kann grob von einer Reduktion um 2% ausgegangen werden. Da der Sauerstoffbedarf jedoch für jegliche körperliche Leistungen gleich bleibt, führt dies unweigerlich zu einem leichten Sauerstoffmangel im Gewebe. Diese Tatsache hat für den Sportler einige interessante körperliche Anpassungen zur Folge. Besonders willkommen ist der, durch die zunehmende Höhe, abhängige Anstieg des körpereigenen Hormons Erythropoetin (EPO). Da das Erythropoetin für die Bildung der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und diese wiederum für den Sauerstofftransport in die Muskeln verantwortlich sind, ist dieser Effekt (Anstieg der Hämoglobinmasse) für Ausdauersportler besonders wichtig. Denn daraus folgt eine erhöhte Sauerstofftransportkapazität im Blut und wirkt sich bei submaximalen Belastungen auf Meereshöhe Leistungsfördernd aus.

 

Doch auch hier gilt es zu beachten, dass dieser Effekt stark von der Dosis, sowie auch vom Individuum abhängt. So soll gemäss der Wissenschaft erst eine Dauer von mindestens 400 Stunden auf einer Höhe von 2300- 2600m über Meer einen messbaren Effekt auf die leistungsrelevante Veränderung im Blut haben. Zeitlich kürzere und/oder Aufenthalte in geringerer Höhe werden also kaum eine messbare Leistungssteigerung mit sich bringen (!). Wer sich nun also veranlasst fühlt in möglichst grosser Höhe zu trainieren, dem kann ich auch abraten. Denn neben verminderter Trainingsqualität, wurde ab einer Höhe von zum Beispiel 5000müM, eine Abnahme der Muskelmasse beobachtet. Ebenfalls negativ auswirken, kann sich ein zu langer Aufenthalt in der Höhe (Rückgang der Mitochondriendichte).

 

Für ein „richtiges“ Höhentraining gibt es also verschiedene Konzepte.

 

Es macht für die Vorbereitung auf einen Wettkampf in der Höhe sowie im Flachland Sinn. Während es sich bei der Vorbereitung auf einen Wettkampf in der Höhe mehr um einen Art Akklimatisierung und der darauffolgenden Abschwächung der leistungsmindernden Faktoren handelt, erhofft man sich hingegen bei der Vorbereitung auf einen Wettkampf im Flachland eine Leistungssteigerung.

 

Bei einer Akklimatisierung reicht für Schweizer eine Dauer von ca. 2 Wochen. Hingegen sollte für die optimale Anpassung, ein Höhentraininglager als Vorbereitung auf einen Wettkampf im Flachland länger dauern(mind. 400 Stunden).

 

Bekannt sind vor allem folgende Konzepte:

1)   „Live High- Train High“ > LHTH

2)   „Live High- Train Low“ > LHTL

 

Das LHTH Konzept ist idealerweise für die Vorbereitung auf einen Wettkampf in der Höhe zu verwenden. Da die Leistung wie erwähnt mit zunehmender Höhe abnimmt, sinkt logischerweise auch die Trainingsqualität bei intensiven Einheiten. Da eine verminderte Trainingsqualität bei allen Ausdauersportarten einen negativen Einfluss auf den Trainingsfortschritt bewirkt, kann es sein, dass der Effekt vom LHTH dadurch wieder aufgehoben wird. Aus diesem Grund entstand die Idee alle Trainingseinheiten in tieferen Lagen zu absolvieren. Für ganz intensive Einheiten kann es sogar sinnvoll sein, komplett ins Flachland runter zu gehen. Die trainingsfreie Zeit wird aber so oft wie möglich in einer Höhe um 2500m über Meer verbracht. Somit zielt das Konzept LHTL darauf ab, den Effekt des Hämoglobinmassenanstieges zu nutzen ohne die Einbusse bei der Trainingsqualität verschmerzen zu müssen!

 

Bei beiden Konzepten sind folgende Punkte besonders zu beachten.

 

Vorher:

  • Da der Körper in der Höhe zusätzlichem Stress ausgesetzt ist, ist es wichtig, dass man gesund und gut erholt anreist.
  • Die Ferritinspeicher sollten kontrolliert werden. Bei einem allfälligen Eisenmangel muss dieser zuerst therapiert werden.

 

Während:

  • Die ersten 2-3 Tage sollen zur Akklimatisierung genutzt und nur leichtes, wenig umfangreiches Training gemacht werden.
  • Der Umfang kann danach langsam gesteigert werden. Es empfiehlt sich auch bei längeren Höhentrainingslagern den Umfang nur auf 90%, von dem was maximal im Flachland trainiert wird, zu steigern. (Grund: durch die Höhe verlängert sich die Regenerationszeit generell)
  • Es ist zu beachten, dass die Leistung auch nach der Akklimatisation noch verringert ist. Eine Trainingssteuerung nach Leistungsdaten (Watt/ Pace) muss somit adaptiert werden. Eine Trainingssteuerung über die Herzfrequenz ist nach erfolgter Akklimatisierung nach bekannten Daten möglich. Allerdings wird die max. HF tiefer sein!
  • Die Schlafqualität verringert sich vor allem zu Beginn. Es gilt besonders für zusätzliche Ruhephasen oder Schlaf  („Powernaps“) zu schauen.

 

Nach: 

  • Das ideale Leistungsniveau nach dem Höhentrainingslager wird nach individueller Dauer erreicht. Oft werden Wettkämpfe direkt 1-2 Tag danach oder dann im Zeitraum von 16- 24 Tagen nach Ende des Höhenaufenthalts eingeplant! Dazwischen fällt die Leistungsfähigkeit in eine instabile Phase und wird von den Athleten oft als „das Loch“ wahrgenommen.

 

Ernährung:

  • Besonders in den ersten Tagen besteht ein erhöhter Flüssigkeitsverlust. Ca. 2L bei Männern und knapp 1L bei Frauen. Deshalb soll die Trinkmenge vor allem in der Akklimationsphase aber auch darüber hinaus erhöht werden. 
  • In der Höhe steigt der Energieverbrauch an. Gleichzeitig vermindert sich Hungergefühl und Appetit. Dadurch besteht die Gefahr, dass in intensiven Trainingsphasen die benötigte Kalorienmenge nicht erreicht wird. Eine zu Proteinhaltige und somit eher Kalorienarme Ernährung wird daher nicht empfohlen! Abhilfe können regelmässige Kohlenhydrathaltige Zwischenmahlzeiten schaffen.
  • Es ist, wie bereits erwähnt, überaus wichtig, dass mit gefüllten Ferritinspeichern in ein Höhentrainingslager angereist wird. Zusätzlich wird empfohlen auch während der Zeit in der Höhe mit Eisenpräparaten zu supplementieren.

 

Besonderes:

  • Durch die kältere und trocknere Luft besteht eine erhöhte Gefahr von Infektionskrankheiten der Atemwege. 
  • Der richtigen Bekleidung muss in höheren Lagen vermehrt Beachtung geschenkt werden. Kälteschutz bei Abfahrten etc.
  • Durch die erhöhte Sonnenexposition muss dem Hautschutz (und Augen) besondere Beachtung geschenkt werden.

 

Ich hoffe damit für euch Athleten und/ oder Coaches einen informativen Beitrag zu liefern. Ich war bestrebt das Thema möglichst umfassend zu behandeln ohne allzu sehr in die Tiefen der Wissenschaft vorzudringen. Ich stelle deshalb auch nicht den Anspruch mit diesem Beitrag über alles und lückenlos informiert zu haben. Für Korrekturen oder wichtige Ergänzungshinweise bin ich dennoch dankbar unter:  info@dayx.ch 

 

Quellen:

  • Swiss Olympic, ALTO '06 Ein Höhentrainingshandbuch für die Praxis. Verschiedene Autoren, 2005
  • Michalczyk, Małgorzata et al. “Dietary Recommendations for Cyclists during Altitude Training.” Nutrients 8.6 (2016): 377. PMC. Web. 16 Sept. 2016.